22. Februar 2025
„Die einzige Friedenspartei im Bundestag“
Vor einigen Jahren hat sich Tino Eisbrenner (62) selbst zur Wahl gestellt. Für die Linke bewarb er sich um ein Mandat im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und holte immerhin mehr Stimmen als die Partei, die ihn nominiert hatte. Doch meist macht der Musiker Wahlkampf für andere. Seit Gründung des BSW wirbt er auf seine Weise für die junge Partei. In den letzten Wochen vor der Bundestagswahl tourte er mit Sahra Wagenknecht durchs Land und trat bei neun Wahlkampfveranstaltungen mit seinen Liedern auf. Warum er das tut und worum es aus seiner Sicht bei der Wahl geht – wir haben in Dresden mit dem Liedermacher gesprochen, der seit 45 Jahren auf der Bühne steht.
Was zeichnet Auftritte wie diesen aus, bei denen du mit deiner Band das Vorprogramm zu den Reden bestreitest?
… so wie wir das früher gelernt haben: Kultur als integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses. Die Spezifik besteht darin, dass man nicht der Hauptact ist. Das fängt beim Bühnenaufbau an. Bei meinen Konzerten bestimme ich, was wo steht. Die Bühne bei Wahlkampfveranstaltungen ist nach anderen Gesichtspunkten konzipiert. Wir haben da jetzt eine Lösung gefunden und rücken das Rednerpult ein Stück zur Seite, so dass ich etwas mehr Auslauf habe. Denn wenn ich nur hinter dem Pult hervorwinke, das bringt ja nichts. (lacht)
Hört das Publikum euch eigentlich konzentriert zu oder treffen die Leute erst nach und nach ein, während ihr spielt?
Alle meine Wahlkampfauftritte im vergangenen Jahr waren open air. Da hat man oft auf einem fast leeren Platz angefangen und dann strömte das Volk herbei. Mir haben die Auftritte immer Spaß gemacht, auch jetzt wieder. Die Leute begreifen schon, warum ausgerechnet dieser Künstler bei den Veranstaltungen da oben steht.
Früher bist du für die Linke in den Wahlkampf gezogen. Was war der Punkt, an dem das für dich nicht mehr in Frage kam?
Ich habe bei den Linken nach wie vor Freunde. Und bestimmte Leute dort schätze ich sehr. Aber die große Parteilinie war in der jüngeren Vergangenheit leider so, dass die Linke bei den Themen, von denen ich dachte, da müsste sie doch aufstehen, sitzen geblieben ist.
Wie bist du auf das BSW aufmerksam geworden?
Ich verfolge den Weg von Sahra Wagenknecht ja schon länger. Als sie noch das Küken neben Gysi und Bisky war und andere schon taktierten, fand ich spannend, wie sie an den marxistisch-leninistischen Wurzeln festgehalten hat. Das hat mir gefallen, weil ich mir gesagt habe: Aus welcher Tradition kommt man denn und warum dann die kapitalismuskritischen Dinge nicht auch beim Namen nennen? Das heißt ja nicht, dass man sich nicht weiterentwickeln soll. Aber es muss immer klar sein, was die Grundlagen sind. Die Ursprünge darf man nicht über Bord werfen, nur um irgendwem zu gefallen.
Wo verortest du das BSW im politischen Spektrum?
Es ist eine Entwicklungsstufe. Leute, die teils aus ganz unterschiedlichen Ecken kommen, müssen einen gemeinsamen Nenner finden. Sahra ist dabei natürlich das Barometer. Wie man am besten bei sich bleibt, ist im Einzelfall die Frage. Jetzt diskutieren alle über die Koalition in Thüringen. Ist es gut, dass sich das BSW da beteiligt, oder ist das ein Fehler? Wenn es jemanden interessiert: Ich halte es im Vorfeld der Bundestagswahl für einen Fehler.
Warum?
Es hat Sympathisanten gekostet. Die sagen sich: Da reicht man CDU und SPD die Hand und hat am Ende trotzdem nichts zu bestellen. Als Künstler, von dem die Leute wissen, dass er das BSW unterstützt, bekomme ich das dauernd ab. Ich kann beide Seiten nachvollziehen, auch das Argument: Wir haben da die Chance, mitzuregieren, wir wollen ja gestalten und nicht nur Opposition machen. Die Entscheidung kann ich verstehen, aber auch die Kritik daran.
Siehst du deine Rolle eher in der Partei oder außerhalb davon?
Man hat mich schon angesprochen, ob ich der Partei nicht beitreten will. Aber Kunst muss sich ihre Freiheit bewahren. Und ich kann auch viel besser helfen, nach außen wirken und vermitteln, wenn ich nicht Mitglied bin. Eigentlich bräuchte es jetzt eine Unidad Popular, eine Volksfront. Das ist mein Credo. Das kann ich glaubwürdiger vertreten, wenn ich einfach Künstler bleibe und nicht Parteimitglied werde.
Was steht für dich bei der Bundestagswahl auf dem Spiel?
Friedenspolitik. Es geht darum, ob es im Bundestag eine Friedenspartei gibt oder nicht. Und ohne das BSW gibt es keine. Ich höre von ganz vielen, dass sie nicht wählen gehen wollen. Die Leute wenden sich völlig ab von der Politik. Es vergeht keine Party, wo ich nicht Brandreden halten muss, dass nicht zu wählen nicht funktioniert. Wir brauchen dringender denn je Diplomatie. Und das BSW sind die Einzigen, die darauf bestehen, dass sie jetzt einsetzen muss. Deshalb müssen sie in den Bundestag gewählt werden, und sei es mit einem knappen Ergebnis.
Schon am 7. März ist Tino Eisbrenner erneut in Dresden zu sehen und zu hören. Im Theater am Wettiner Platz präsentiert er ab 20 Uhr sein 24. Album „Kompass“.