Erlebnis Rathausturm: Da geht noch mehr
Wer den Dresdner Rathausturm besteigen will, sollte sich über die Folgen im Klaren sein. Das Erlebnis wird gern als „umwerfend“ beschrieben, also ist Standfestigkeit gefragt. Der Ausblick gilt als „atemberaubend“, deshalb muss ausreichend Puste vorhanden sein. Mancher ist geradezu „erschlagen von der Schönheit der Stadt Dresden“, alles nachzulesen im Gästebuch. Die Besucher versuchen, ihre Begeisterung in Worte zu fassen. „Als alte Dresdner sind wir fasziniert und hingerissen“, lautet ein weiterer Eintrag.
In der Tat sind die Glücklichen, die vom höchsten Turm der Innenstadt nach unten und bei schöner Fernsicht bis zum Elbsandsteingebirge schauen dürfen, gleich doppelt glücklich. Denn vergönnt ist das nicht vielen. Nach zwölf Jahren, in denen es überhaupt nicht möglich war, ist der Rathausturm seit 1. Juli wieder zugänglich, aber nur mit Führung und in Kleingruppen von bis zu fünf Personen. Kein Wunder, dass bereits zwei Wochen nach der Bekanntgabe 90 Prozent der Termine bis zum 31. Oktober ausgebucht waren. Derzeit sind nur noch einige wenige Tickets verfügbar (Erwachsene 9 Euro, ermäßigt 6 Euro, Kinder unter sechs Jahren frei).
Mehr als 1000 Besucher bisher
Die Führungen beginnen jeweils zur vollen Stunde. Und zwar nicht viermal pro Woche und dreimal am Tag, wie ursprünglich angekündigt, sondern täglich und sechsmal am Tag. Das macht jedoch trotzdem maximal 30 Besucher pro Tag. Immerhin waren es inzwischen schon mehr als 1000, darunter auch BSW-Stadtrat Maurice Devantier und Söhnchen David (5). Eine Wendeltreppe windet sich 270 Stufen vom vierten Stock des Rathauses bis zur Aussichtsplattform in 68 Meter Höhe empor.
Zu sehen gibt es aber schon unterwegs einiges. Zum Beispiel wurde der sechste Stock zu DDR-Zeiten als Turnhalle für den Schulsport genutzt. Dort wechseln regelmäßig die Rollen. Turmführer Sven Ruschau von der Dresden Information wird nur zu gern zum Zuhörer, wenn Besucher sich erinnern, wie das damals war. „Die Leute bringen ihre Fotoalben mit und kommen ins Erzählen“, berichtet er.
Noch emotionaler wird es nur im elften Stock, von dem aus es auf den Balkon mit den berühmten Sandsteinfiguren geht, den „16 Tugenden“. Als der Fotograf Richard Peter im Herbst 1945 vom Rathausturm das zerstörte Dresden für die Nachwelt festhielt, komponierte er das Bild so, dass auch der Turm selbst zu sehen ist – in Form der Statue „Güte“ im Vordergrund.
Im Turmzimmer sind in Zusammenarbeit mit der Deutschen Fotothek heute auch andere geschichtsträchtige Aufnahmen ausgestellt, und zwar im Einklang mit der jeweiligen Blickrichtung, so dass die Besucher das alte und neue Dresden in Beziehung setzen können.
Verlängerung und Ausbau angestrebt
Produktmanager Ruschau gerät schon mal ins Schwärmen: „Wir sind total happy mit dem Produkt und machen das sehr gern für Dresden. Die Turmführer haben sich bei mir bedankt, weil es so schön und berührend ist. Jahrelang stand ich am Tresen der Dresden Information und bin immer wieder von Leuten gefragt worden, was mit dem Rathausturm ist. Heute bin ich sehr froh für die Dresdner Bürger, dass er wieder offen ist.“
Ende Oktober endet planmäßig die erste Turmsaison nach langer Pause, sie war als Testphase deklariert. Sven Ruschau hofft, dass es zu einer Verlängerung bis zum 31. Dezember kommt, so dass auch das weihnachtlich geschmückte Dresden das Auge seiner Gäste erfreut. Außerdem hat er bei der Bauaufsicht beantragt, dass die Teilnehmerzahl bei den Führungen um zwei bis vier Personen erhöht werden darf. „Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen“, sagt er.
Unterstützung vom BSW
Die Stadtratsfraktion des BSW trägt das Anliegen mit. Maurice Devantier: „Wir sind dafür, dass das ausgeweitet wird, denn die Nachfrage ist riesig und kann unter den heutigen Umständen kaum kostendeckend befriedigt werden.“ Warum ausgerechnet fünf Personen die Obergrenze für die Gruppenstärke bei den Führungen darstellen und nicht zum Beispiel zehn, sei nicht nachzuvollziehen.
Die Stadt hatte Brandschutzvorschriften dafür geltend gemacht, warum der Rathausturm seit 2013 für die Öffentlichkeit gesperrt gewesen war. Obwohl sich am Fehlen eines zweiten Rettungswegs – genau das ist der springende Punkt – wohl auch in Zukunft nichts ändern lässt, wurde der Turm in den letzten Jahren wieder für Besucher ertüchtigt, allerdings mit zahlreichen Auflagen, die nur hier wirksam sind.
Der Turm der Kreuzkirche, die Frauenkirche und der Schlossturm in der unmittelbaren Umgebung können spontan und auf eigene Faust erklommen werden. Das war früher beim Rathausturm nicht anders. So vermeldete am 28. März 2000 die Homepage der Stadt: „Der Rathausturm öffnet am 1. April wieder für Besucher. […] Mit dem Fahrstuhl gelangt man direkt zur Turmstation im 7. Obergeschoss. Hier sind die Eintrittskarten für die Turmbesichtigung erhältlich. […] Von der 7. Etage aus fährt der Fahrstuhl weiter ins Turmkabinett im 11. Obergeschoss. […] Der Rathausturm ist täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Die Eintrittspreise betragen für Erwachsene 5 Mark und für Ermäßigungsberechtigte 2,50 Mark.“
Hört sich deutlich unkomplizierter an als heute.
UPD: Das BSW hat einen Antrag in den Stadtrat eingebracht, dessen Ziel es ist, dass das Rathaus nicht nur saisonal, sondern ganzjährig besucht werden kann. Außerdem sollen auch die täglichen Öffnungszeiten verlängert und die Gruppen bei den Führungen vergrößert werden, damit mehr Menschen Zugang zu dieser tollen Attraktion haben.