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Ein Jahr ohne die Carolabrücke: So ist das Dresden-Tempo

Der eingeknickte Brückenzug C auf einem Foto vom November 2024. Gut zu sehen die Aufteilung in zwei Straßenbahnspuren sowie den Fuß- und Radweg. (Foto: Centro Umwelttechnik und Logistik GmbH)

Die Carolabrücke ist weg, schon zum zweiten Mal. Wurde sie 1952 wegen der Kriegsschäden abgerissen, so war diesmal ihr Teileinsturz vom 11. September 2024 der Anfang vom (vorläufigen) Ende. Ein Jahr später sind die Reste der 1971 eingeweihten Spannbogenbrücke beseitigt und ist der Wiederaufbau beschlossen. Zeit für ein Zwischenfazit, wie Dresden mit dieser Katastrophe fertiggeworden ist. Auf einen Nenner gebracht: im Krisenmodus gut, im Verwaltungsmodus schlecht.

Von den vier Elbbrücken in der Innenstadt spielt keine für den Verkehr in Dresden eine so überragende Rolle wie die Carolabrücke. Als vor einem Jahr, am 11. September 2024, kurz vor drei Uhr morgens über 100 Meter des Brückenzugs C mit den Straßenbahngleisen sowie dem Fuß- und Radweg plötzlich zusammenbrechen, ist das ein Super-GAU. Und dabei noch Glück im Unglück, denn anders als 2018 beim Einsturz einer Autobahnbrücke im italienischen Genua mit 43 Toten kommt in Dresden zu nächtlicher Stunde niemand zu Schaden. Eine letzte Straßenbahn der Linie 7 hat die Carolabrücke sieben Minuten früher passiert.

Während die Bilder um die Welt gehen, beginnt schon am nächsten Tag mit schwerer Technik der kontrollierte Abbruch weiterer einsturzgefährdeter Teile des Brückenzugs C. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

 

In nur vier Tagen wird die Arbeit geschafft, bevor das prognostizierte Hochwasser eintrifft. So gelingt es, noch größeres Unheil abzuwenden.

Eine schnelle Lösung wird auch bei der Fernwärme gefunden. Als Ersatz für die durchtrennten Leitungen in der Carolabrücke werden die Rohre provisorisch auf dem Fußweg der Augustusbrücke verlegt. Ende November ist diese Notfallmaßnahme abgeschlossen.

Im Angesicht des Ausnahmezustandes zeigt sich Dresden den Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben, gewachsen. Doch je länger das Jahrhundertereignis zurückliegt, desto mehr leidet der Pragmatismus und schleicht sich im Alltag das berühmt-berüchtigte Dresden-Tempo ein. Immerhin: Der Abriss der beiden weiteren Brückenzüge A und B erfolgt unter Verweis auf die Gefahrenlage ohne europaweite Ausschreibung und ist so im Sommer beendet.

Doch erst neun Monate nach dem Teileinsturz beschließt der Stadtrat den Wiederaufbau der 1971 eröffneten Brücke, die bis zur Wende den Namen von Nachkriegs-OB Rudolf Friedrichs trug, als Ersatzneubau. Das BSW hatte das schon monatelang gefordert und damit auf einer Wellenlänge mit führenden Wirtschaftsverbänden gelegen. Denn auf diese Weise wird ein Planfeststellungsverfahren umgangen, das allein drei bis sechs Jahre dauert. Diese zeit- und kostensparende Lösung findet letztlich auch im Stadtrat eine Mehrheit.

Ein Antrag des BSW, der die schnellstmögliche Wiederherstellung des Originalzustands und also einen zügigen Baubeginn zum Ziel hat, wird dagegen abgelehnt. Nach jetzigem Stand wird ab dem zweiten Quartal 2028 gebaut – wohl im besten Fall, wie bei solchen Ankündigungen üblich. Damit schließt sich die berühmteste Leerstelle von Dresden nicht vor 2031. Die Waldschlößchenbrücke, deren Errichtung auch eine wahre Ewigkeit in Anspruch nahm, lässt grüßen. Wobei das Fehlen der Carolabrücke als Nord-Süd-Verkehrsader tagtäglich Verluste mit sich bringt, an Zeit wie an Geld. Zum Vergleich: Die Morandi-Brücke in Genua wurde nach zwei Jahren wiedereröffnet. Ja, unter anderen Voraussetzungen. Doch zu denken geben sollte das trotzdem.

Ein Jahr nach dem Teileinsturz der Carolabrücke muss das Fazit, wie Dresden ihn bewältigt hat, also sehr durchwachsen ausfallen. Und Anlass sein, das Dresden-Tempo zu hinterfragen. BSW-Fraktionschef Ralf Böhme: „Uns ist es viel zu langsam.“