Der Stadtrat muss heute über den Wiederaufbau der Carolabrücke entscheiden. Nach deren Teileinsturz im September 2024 dauert der Abriss bisher an. Die Meinungen, was darauf folgen soll, gehen weit auseinander und prallen zur Stunde im Plenarsaal des Rathauses aufeinander. BSW-Fraktionschef Ralf Böhme bekräftigte in seiner Rede die Position des BSW, das sich seit Monaten für einen so zügigen wie kostengünstigen Ersatzneubau einsetzt, und hatte am Schluss noch einen Vorschlag parat.
Ich halte es für einen interessanten Fakt, dass wir hier im Stadtrat einige Kolleginnen und Kollegen sitzen haben, die in den Kämpfen um die Waldschlößchenbrücke gestählt wurden. Das scheint hier in einigen Beiträgen und Kommentaren auch durch. Insofern lohnt sich aus meiner Sicht ein Blick zurück auf dieses Projekt, um zu ermessen, was uns als Stadtrat, aber auch als Stadtgesellschaft drohen kann in den nächsten Jahren, aber vielleicht vermieden werden sollte.
1994 stellte die Stadtverordnetenversammlung fest, dass es einer weiteren Querung der Elbe im Dresden bedarf. 1996 gab es dazu einen Stadtratsbeschluss, im November 2000 schon mal einen Spatenstich. Dann erfolgte ein absurder Ritt durch Planfeststellung, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid – pro Waldschlößchenbrücke, diverse Instanzen gerichtlicher Art. Es erfolgte die Aberkennung des kurz vorher erlangten Welterbetitels. Wundersamer- und glücklicherweise erfolgte aber dann tatsächlich der Bau der Waldschlößchenbrücke von 2009 bis 2013.
Wir haben zu konstatieren: Es vergingen fast 20 Jahre vom Bekenntnis der Stadtgesellschaft zur Brücke bis zu deren Einweihung. Begleitet von ausuferndem Streit innerhalb der Stadt, innerhalb der politischen Gremien.
Das kann keine Perspektive für uns bei der Bewältigung dieser Herausforderung – des Teileinsturzes der Carolabrücke – sein. Das BSW hat sich für einen sehr konsequenten Ersetzungsantrag entschieden, der dem Ziel eines schnellen und kostengünstigen Wiederaufbaus der Brücke entspricht.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass wir, die Dresdnerinnen und Dresdner, bis zum September 2024 über eine Brücke verfügten, die ihre Funktion in ästhetischer Weise, aber auch in funktionaler Hinsicht voll erfüllte und es keine wahrnehmbare Tendenz in der Stadt gab, diese Brücke in irgendeiner Weise in Frage zu stellen. Nur mit einer maximal beschleunigten Wiederherstellung dieser Brücke können die dramatischen Nachteile, die durch den Teileinsturz und den dadurch notwendigen Abriss hervorgerufen wurden, beseitigt werden.
Bei der Betrachtung der vorliegenden Anträge verschiedener Fraktionen erkennt man eine Tendenz, diverse Wunschdetails in irgendeiner Weise abzubilden, obwohl klar ist, dass sie einer schnellen und preisgünstigen Wiedererrichtung der Brücke deutlich entgegenstehen und möglicherweise der Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens Tür und Tor öffnen. Da wären zum Beispiel die Stichpunkte Anbindung des Radverkehrs, Sandsteinskulpturen, historische Kandelaber oder gar der Totalumbau der St. Petersburger Straße und die Neugestaltung weiter Teile der Innenstadt zu nennen.
Manches mag wünschenswert sein, auf jeden Fall jedoch ist es konfliktfördernd und verlängert den Prozess der Realisierung. Das BSW hat aus dem Bedürfnis, auf schnelle und möglichst ökonomische Art und Weise einen Ersatzneubau zu realisieren, die logische Konsequenz gezogen und einen schlanken Beschlussvorschlag vorgelegt, der die weitgehende Originalgestalt beinhaltet, inklusive vier Fahrspuren, auf der Basis heutiger Erkenntnisse zu Materialien und Technologie.
Nach Fertigstellung der Brücke wird die BSW-Fraktion beantragen, mit einer Umbenennung dieser Brücke das Vermächtnis des ehemaligen SPD-Oberbürgermeisters Dr. Rudolf Friedrichs (1892-1947) zu würdigen.