Zu bieder, zu teuer: Beirat Jörg Düsterhöft über Probleme beim Bauen
Beiräte treten öffentlich kaum in Erscheinung. Sie wirken im Hintergrund und beraten sowohl den Stadtrat als auch die Stadt. Ihre Fachkompetenz trägt dazu bei, dass Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage getroffen werden. Aber wer sind diese ehrenamtlichen Ratgeber? Lernen Sie hier die Experten kennen, die sich für das BSW dieser Aufgabe stellen. Heute: Jörg Düsterhöft/Gestaltungsbeirat. Der gebürtige Dresdner, Jahrgang 1959, ist Partner im Architekturbüro ZDR Architekten.
Herr Düsterhöft, was macht der Gestaltungsbeirat?
Wir treffen uns im Abstand von mehreren Monaten, um jeweils einige Bauvorhaben zu diskutieren und Empfehlungen dazu abzugeben. Der Beirat besteht aus der Gestaltungskommission mit ihren fünf Mitgliedern und den Beiräten, die von den Stadtratsfraktionen entsandt werden. Als
gestandener Architekt bin mit den Themen des Beirates aus jahrelanger Arbeit vertraut und fühle
mich so fachlich zu Hause.
Was sind denn das für Bauvorhaben? Können Sie da mal ein Beispiel geben?
Letztens stand ein Projekt der Sachsen Energie zur Diskussion, im Heizkraftwerk an der Nossener Brücke einen Energiespeicher zu errichten – 80 Meter hoch, 40 Meter im Durchmesser. Wenn Strom übrig ist, soll dort Wasser erhitzt und damit Energie gespeichert werden, um sie später preisgünstig abgeben zu können. Das Grundanliegen stieß ihm Beirat durchaus auf Gegenliebe, aber es waren sich auch alle einig: Der Bau ist viel zu hoch und massiv. Deshalb wurden verschiedene Vorschläge diskutiert, wie man das lösen könnte.
Ist das typisch, dass da jetzt nicht die Meinungen je nach Parteizugehörigkeit aufeinanderprallen?
Zumindest nicht in dieser Schärfe, ja. Es gibt bei Grünen und SPD schon eine Tendenz, bestimmte politische Überzeugungen hineinzutragen. Aber im Großen und Ganzen versucht man, sich an der Sache zu orientieren. Bei der Mehrzahl der Themen gibt es eine fachlich dominierte Übereinstimmung.
Beschreiben Sie bitte Ihre generelle Herangehensweise an die Arbeit, die Sie im Beirat leisten.
Mir geht es darum, die Stadt weiterzuentwickeln. Es soll etwas passieren und nicht Bautätigkeit erschwert oder gar verunmöglicht werden. Ich möchte Projekte im Hinblick auf eine spätere Genehmigungsfähigkeit positiv begleiten. Das Fachliche soll dabei im Vordergrund stehen und die Diskussion dabei auch möglichst nicht zu akademisch werden.
Was wäre ein Aspekt, der Ihnen als BSW-Vertreter besonders am Herzen liegt?
Wir sollten daran denken, dass auch Bauwerke aus der Zeit der DDR die gebotene Wertschätzung bekommen. Es gibt da beispielsweise diesen Verwaltungsbau am Pirnaischen Platz, gegenüber vom Rathaus.
Das Bürogebäude war früher Teil des großen Robotron-Ensembles. Seine Originalfassade aus Aluminium, die für die DDR zur Bauzeit von 1969 bis 1972 innovativ war, ist in einem guten Zustand. Dieses Gebäude soll saniert und erweitert und die Fassade dabei erhalten werden. Das war Konsens im Gestaltungsbeirat und auch der private Investor hat sich dazu bekannt. Es sollen sogar die charakteristischen V-Stelzen, wie man sie auch vom Hochhaus am Pirnaischen Platz und von der Häuserzeile an der Prager Straße kennt, wieder zur Geltung kommen, denn bisher ist das Erdgeschoss noch verglast. Bis zur Genehmigung ist es zwar noch ein weiter Weg, aber man hat bei diesem großen und komplexen Vorhaben jetzt immerhin angefangen, ihn zu gehen. Das ist der richtige Umgang mit solchen Bauzeugnissen.
Wie finden Sie als Mitglied des Gestaltungsbeirats denn insgesamt die Gestalt von Dresden? Stimmt die Richtung?
Ich erkenne schon ein ernsthaftes Bemühen, vernünftige Dinge zu machen. Andererseits höre ich immer wieder von Freunden, die auch viel ins Ausland reisen, was sie dort für tolle Gebäude gesehen haben. Die fragen dann: Warum wird so etwas nicht bei uns gebaut? Hier ist alles so bieder.
Ist das so?
Ja, das ist so. In Deutschland überhaupt und in Dresden ganz besonders. Da heißt es schnell: Das passt hier nicht her. Aber wenn man nur macht, was passt, dann kommt eben nichts Neues und Interessantes heraus. Das Korsett der Vorschriften ist mittlerweile so eng, dass die Handlungsspielräume minimal sind.
Was waren denn aus Ihrer Sicht die letzten markanten Bauten, die in Dresden entstanden sind?
Das Stadtforum ist schon sehr prägend. Ob es schön ist, da sind die Meinungen geteilt. Das Heinz-Steyer-Stadion ist gut geworden – eine schöne, sparsame Lösung. Ansonsten ist in den zurückliegenden Jahren ja auch gar nicht so viel gebaut worden.
Welche Herausforderung im Bauwesen sehen Sie aktuell als die größte an?
Den Wohnungsbau! Das ist das Hauptproblem. Es fehlt in Größenordnungen an bezahlbarem Wohnraum. Wir haben in Deutschland Umstände, die Wohnungsbau unattraktiv machen. Dresden ist da keine Ausnahme und kann es auch nicht sein. Aber es gibt durchaus Städte, wo es einfacher geht. Wir wissen das, weil meine Firma ja auch anderswo gebaut hat, von Köln und Düsseldorf bis nach Halle und Leipzig. Was wir erleben, sind Parteien, die über zu hohe Mieten wettern und auf der anderen Seite die Vorschriften immer weiter verschärfen. Die Vielzahl an behördlichen, gesetzlichen und technischen Vorschriften bis hin zu DIN-Normen hat den Wohnungsbau so teuer gemacht, dass er sich im Zweifelsfall nicht mehr lohnt. Ein Privater sagt sich dann: Ich würde das Geschäft gern machen, aber ich kann es nicht. So weit ist es gekommen.
Was schlagen Sie vor?
Wir müssen an die Vorschriften ran. Man kann die Spirale nicht immer weiterdrehen: noch mehr Lärmschutz, noch mehr Wärmedämmung und so weiter. 20 Prozent mehr Geld bewirken heutzutage nur noch ein bis zwei Prozent Verbesserung in den Parametern, so sind die Kurven mittlerweile. Und wenn man an diesen ideologischen Dingen festhält, dann hat das Folgen. Man hat das Problem ja schon vor zehn Jahren erkannt. Aber bis jetzt ging alles nur in die entgegengesetzte Richtung. Und in Dresden haben wir eine Stadtverwaltung, die meint, über die bindenden Bauvorschriften hinaus auch noch möglichst viel eingreifen und abverlangen zu müssen.
Pragmatismus wäre das Gebot der Stunde?
Ja, es sollte mehr Vernunft einziehen.
Halten Sie denn auch Kritik am Gestaltungsbeirat für denkbar?
Ach wissen Sie, ich stand als Architekt ja auch auf der anderen Seite. Zwei meiner Projekte gingen durch den Beirat. Da denkt man sich, jetzt müssen diese Besserwisser auch noch ihren Senf dazu geben. Bei mir ist das immer gut ausgegangen, aber als Architekt kann man diese Arbeit schon auch anders sehen. Denn mindestens bedeutet sie Zeitverzug und dass das Projekt mal ein Vierteljahr länger dauert. Es besteht aber auch die Gefahr eines Wunschkonzerts, wenn nämlich die Beiräte alle möglichen Wünsche in Bezug auf ein Vorhaben anmelden und es so überfrachten, wir müssen es schließlich nicht bezahlen. Ein privater Bauherr will und kann unter Umständen nicht all diese Wünsche erfüllen und muss es rechtlich gesehen im Übrigen auch nicht. Hier ist ebenfalls Pragmatismus gefragt.
Fühlen Sie die Zeit, die Sie die Arbeit im Beirat kostet, sinnvoll verbracht?
Auf jeden Fall. Wobei nicht immer alles eins zu eins aufgeht. Aber diese Runde ist gut, um auch den Stadtrat über die Beiräte für bestimmte Fragen zu sensibilisieren und Argumente zu liefern. Insofern mache ich das gern.