„Entschuldigung, wissen Sie vielleicht, was hier los ist?“ Einer der Erwachsenen, die in der Dresdner Marienallee eine Schülergruppe begleiten, erhofft sich von Passanten Aufklärung, was die Menschenansammlung am sowjetischen Garnisonsfriedhof wohl zu bedeuten hat. „Wir laufen hier regelmäßig vorbei, sonst sieht man da niemanden.“ Was könnte also das Besondere an diesem Donnerstag gewesen sein, dem 8. Mai 2025? Als das Datum zur Sprache kommt, nickt der junge Mann, ein wenig schuldbewusst. Klar, der Tag der Befreiung. Der Jahrestag des Kriegsendes 1945, heute ist das 80 Jahre her. Deshalb also die außergewöhnlich vielen Menschen. Denn obwohl die Landeshauptstadt Dresden selbst keine Gedenkfeiern veranstaltet, finden trotzdem welche statt.
Bereits am Morgen gedenken mehrere hundert Menschen am Ehrenmal der Roten Armee auf dem Olbrichtplatz der im Krieg gefallenen sowjetischen Befreier. „In Dankbarkeit“, steht auf dem Kranz der BSW-Stadtratsfraktion, der am Sockel des unlängst sanierten Denkmals niedergelegt wird. Eingeladen zu der traditionellen Zeremonie hat das Deutsch-Russische Kulturinstitut Dresden. Vom BSW erweisen den Opfern unter den sowjetischen Soldaten der Fraktionsvorsitzende Ralf Böhme, weitere Mitglieder und Sympathisanten die Ehre.
Zuletzt war bekannt geworden, dass das Auswärtige Amt den deutschen Kommunen und Gedenkstätten bereits Anfang des Jahres empfohlen hatte, offizielle Vertreter von Russland und Belarus gar nicht erst zu ihren Gedenkfeiern einzuladen beziehungsweise sie im Falle des Falles auszuladen. Über die entsprechende vertrauliche Handreichung hatte zuerst die „Berliner Zeitung“ berichtet. Bei den Kommunen sorgte sie verbreitet für Kopfschütteln, teils gab es auch scharfe Kritik.
BSW-Fraktionschef Ralf Böhme sagt: „Der Ausschluss der offiziellen Vertreter von Russland und Belarus charakterisiert die Geschichtsvergessenheit der deutschen Politik und ihr Bestreben, Geschichte im Dienste der aktuellen Ideologie umzuschreiben. Das verletzt die Würde der Millionen von Opfern, die die Sowjetunion für die Befreiung Deutschlands erbringen musste.“ In Dresden war nun Andrej Bagaj anwesend, der an der Russischen Botschaft in Berlin die Abteilung für Außenpolitik leitet.
Nach dem Gedenken am Ehrenmal verlagerte sich das Geschehen auf den Garnisionsfriedhof, wo auch ein Gottesdienst im Freien abgehalten wurde. Und der eine oder andere Unbeteiligte draußen erfuhr, dass dieser 8. Mai eben doch kein Tag wie jeder andere ist.