Welche Wunder 1,5 Mio. Euro bewirken können
Die der Stadt gehörenden Fußballplätze von Rotation Dresden und Motor Trachenberge erschweren einen geregelten und verlässlichen Trainings- und Spielbetrieb. Nun sieht der unlängst beschlossene Doppelhaushalt für 2025-2026 zusätzliche Investitionen in Sportstätten im Umfang von 1,5 Millionen Euro vor.
Die Stadtratsfraktion des BSW hat sich in den Haushaltsverhandlungen mit dieser Forderung durchgesetzt. Welche Wunder die Gelder vor Ort bewirken würden, weiß man bei den beiden traditionsreichen Sportvereinen im Stadtbezirk Pieschen ganz genau.
Als BSW-Stadtrat Maurice Devantier an einem lauen Freitagnachmittag Anfang April wieder mal bei Motor Trachenberge vorbeischaut, kommt er mit dem Kinderwagen. Für den dreifachen Familienvater ist die Gegend, in der er letzten Sommer erfolgreich bei den Kommunalwahlen kandidiert hatte, ein Stück Heimat. Das liegt auch an Trachenberge: Bei dem Sportverein hat der heutige Gymnasiallehrer einst selbst die Fußballschuhe geschnürt, als er noch zur Schule ging und auch danach. Auf dem Sportplatz an der Aachener Straße kennt er deshalb sozusagen jeden Grashalm. „Viele sind es ja nicht mehr“, meint er nur halb im Spaß.
Das Grün der kommunalen Anlage kann nur bei sehr flüchtiger Betrachtung einen passablen Eindruck hinterlassen. Ansonsten sind nämlich die vielen kahlen Stellen nicht zu übersehen, sie ziehen sich über den gesamten Platz. Der stellvertretende Vereinsvorsitzende Torsten Mikoteit erzählt, dass es immer wieder zu schweren Verletzungen komme, weil Spieler auf Grasbüscheln umknicken oder sich das Knie verdrehen. Allein in den zurückliegenden zwei Wochen seien zwei solche Fälle zu verzeichnen gewesen. Während auf dem Rasen die Jahrgänge 2010 und 2011 trainieren, sagt er, der Platz sei „eigentlich tot, so wie er jetzt ist“.
Infrastruktur bremst Sturm und Drang
Das Gelände in einem vor rund 100 Jahren errichteten hübschen Wohnviertel muss aber auch einiges aushalten. „Wir werden von Kindern und Jugendlichen überrannt“, berichtet Mikoteit. Den Platz teilen sich 15 Mannschaften. Man stößt längst an Grenzen, nicht nur im spartanischen Kabinentrakt. Beklagt werden häufige Trainings- und Spielausfälle, bedingt durch die malade Infrastruktur. Dass der Rasenplatz von November bis März gleich ganz gesperrt wird und die Fußballer von Motor durch Dresden tingeln müssen, ist fast schon zur Gewohnheit geworden.
Im Verein gebe es unterschiedliche Erwägungen, wie Abhilfe geschaffen werden könnte: entweder durch einen Kunstrasen anstelle des Naturrasens oder – was Mikoteit favorisiert – durch den normgerechten Neuaufbau des jetzigen Spielfelds nach der einschlägigen DIN 18035-4. Die Kosten für letztere Maßnahme würden sich wohl auf ca. 250.000 Euro belaufen. Durch die fällige Entsorgung des abgetragenen Bodens dürfte sich die Summe ungefähr verdoppeln.
Froh ist man bei dem vor 73 Jahren als BSG Motor gegründeten Traditionsverein auf jeden Fall, dass mit dem Sportplatz an der Neuländer Straße – rund 500 Meter Luftlinie entfernt – ein Ausweichareal zur Verfügung steht. Von der F- bis zur D-Jugend erhielten so speziell Nachwuchsmannschaften wertvolle Trainingsmöglichkeiten, so Mikoteit. Allerdings lässt die Qualität des Rasens auf der Anlage noch mehr zu wünschen übrig als an der Aachener Straße. Und der Verkehrslärm von der benachbarten A4 macht die Kommunikation nicht ganz einfach. Außerdem ist wegen Kanalisationsarbeiten zur Zeit gar nicht die gesamte Anlage nutzbar. Wasser- und Stromanschluss sind auch noch Zukunftsmusik. Aber wenigstens wird so der Stammplatz des Vereins ein wenig entlastet und der Trainingsbetrieb entzerrt.
Was im Haushaltsbeschluss steht
Bei Motor Trachenberge hofft man nun auf die Mittel für die nötigen Arbeiten aus dem laufenden Stadthaushalt für 2025-2026. In dem sind zusätzliche Investitionen in Sportstätten in Höhe von 1,5 Millionen Euro vorgesehen: 500.000 Euro in diesem Jahr und eine Million Euro im kommenden. Die BSW-Stadtratsfraktion hat diese Leistungen erfolgreich in den Haushalt verhandelt. Welche Projekte sollen davon profitieren? Im Haushaltsbeschluss werden explizit die „Sportstätten in Nutzung der Vereine Motor Trachenberge und TSV Rotation Dresden“ genannt. Die Anlage an der Neuländer Straße ist ebenfalls aufgeführt.
Das BSW hatte sich dafür aus ganz prinzipiellen Überlegungen eingesetzt. „Der Vereinssport ist von überragender Bedeutung für die gesellschaftliche Stabilität, deshalb war eine Erhöhung der Investitionssummen in diesem Bereich für uns essentiell“, sagt Fraktionschef Ralf Böhme.
86 Kinder in einer einzigen Altersklasse
Auch bei Rotation zeigt man sich hocherfreut, dass es nun hoffentlich bald losgeht mit dem langersehnten Umbau des Hartplatzes auf dem Gelände des Stadions zu einem Kunstrasenplatz. Die Anlage an der Eisenberger Straße in Pieschen, nur einen Steinwurf vom Elbufer entfernt, war einst jedem Fußballfan geläufig. Vier Jahre lang, von 1950 bis 1954, spielte die damalige BSG Rotation (bis Januar 1951 noch BSG Sachsenverlag) in der DDR-Oberliga. Die Stehtribünen fassten 10.000 Zuschauer. Wo die Besucher auf den Stufen standen, lässt sich heute durch die erhöhte, begrünte Umrandung des Spielfeldes immerhin noch erahnen. 1954 ging die Fußballsparte von Rotation im SC Einheit auf und zog ins Heinz-Steyer-Stadion um.
Heute ist der TSV ein reiner Breitensportverein, der von ehrenamtlichem Engagement lebt. Allein die Abteilung Fußball zählt 463 Mitglieder, in der Mehrzahl Kinder und Jugendliche. Der D-Jugend werden nächste Saison sage und schreibe 86 Kinder angehören. Die erste Männermannschaft kickt in der Landesklasse.
Das buchstäblich harte Los
An einem gewöhnlichen Trainingstag herrscht auf dem Naturrasenplatz, der das Herzstück des Stadions bildet, so viel Betrieb, dass sogar die Fläche hinter den Toren und bis zur Laufbahn genutzt wird. Vor allem für die älteren Nachwuchsjahrgänge und die Männer bleibt oft nur ein Nebenplatz, die sogenannte Tenne. Das ist ein weiteres Großfeld und besser als nichts. Aber bei einem Belag aus rötlich schimmerndem Sand, wie man ihn sonst eher von Tennisplätzen kennt, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Mit Fußball auf Hartplätzen könne man heutzutage „kaum noch ein Kind hinterm Ofen hervorlocken“, sagt Vizepräsident Matthias Wartig. Das sei ein „Riesenfaktor“ und nicht etwa nur bei der jungen Generation. Auch die Senioren hätten früher mit der ersten Mannschaft auf dem Rasen gespielt, nun müssten sie für Training und Spiele mit der Schlacke vorliebnehmen. „Da sagt der eine oder andere: Wenn das so ist, dann höre ich lieber auf“, berichtet Wartig. Tennen seien einfach „nicht mehr zeitgemäß“, fasst Präsident Frank Reichelt zusammen.
Aber die Tenne von Rotation ist nicht nur eine Spaßbremse, sondern oft genug schlicht unbespielbar. Bei Regen bilden sich schnell überall Pfützen und Fußball wird zur Schlammschlacht. Das Wasser laufe einfach nicht mehr ab, erzählt Geschäftsführer Ralf-Dietmar Günther. „Die Oberfläche wird immer dichter. Das ist, als ob man eine Hauswand verputzt.“ Weil die Trainingsmöglichkeiten damit speziell im Herbst und Winter stark eingeschränkt seien, könne man „ruhig mal lobend erwähnen“, dass die Stadt dem Verein Hallenzeiten im Gymnasium Pieschen eingeräumt habe. Dort können die Jüngsten bereits ab 1. Oktober trainieren – eine feine Sache.
„Ein Segen für uns und andere“
Grundsätzliche Besserung verspricht sich Rotation davon, dass ein Kunstrasen- an die Stelle des Hartplatzes tritt. Kunstrasen gewährleistet einen Trainings- und Spielbetrieb unabhängig von Wetter und Jahreszeit. Für den Belagwechsel werden ca. 750.000 Euro veranschlagt – in etwa so viel, wie ein ganz ähnliches Vorhaben bei Fortuna Dresden-Rähnitz gekostet hat. Der neue Kunstrasen an der Ludwig-Kossuth-Straße in Hellerau war vor einem halben Jahr eingeweiht worden.
Bei Rotation sind die Pläne nach langem Anlauf inzwischen schon weit fortgeschritten, inklusive eines 50.000 Euro teuren Projektantrags, den der Stadtbezirk finanzierte. Jetzt wartet alles auf den Startschuss. „Das wäre ein Segen für unseren Verein“, sagt Vizepräsident Wartig. „Und es wäre sogar ein Segen für umliegende Vereine. Dann könnte zum Beispiel Motor Trachenberge auch mal Trainingszeiten bei uns auf dem Kunstrasen bekommen oder dort spielen. Dafür sind wir auf alle Fälle offen.“
Dresden hinkt bei Sportplätzen hinterher
Wenn man über den Tellerrand einzelner Vereine auf die Gesamtsituation in Dresden schaut, dann zeigt sich ein erheblicher Nachholbedarf gegenüber Städten mit vergleichbarer Einwohnerzahl. Auf eine entsprechende Frage des BSW in der Stadtratssitzung von Mitte Februar antwortete Sportbürgermeister Jan Donhauser mit absoluten Zahlen zu Sportplätzen und dem Blick nach Leipzig und Nürnberg. Demnach gibt es in Dresden aktuell 71 Groß- und 23 Kleinspielfelder. In Leipzig sind es 127 und 76, in Nürnberg sogar 132 und 137. Die gesamte Sportplatzfläche beträgt in Leipzig fast das Doppelte und in Nürnberg annähernd das Dreifache von Dresden. Der „Sanierungs- und Entwicklungsstau“ bei Sportstätten wird von der Stadt mit „über 300 Millionen Euro“ beziffert.
Motor Trachenberge und Rotation Dresden warten seit Jahren auf kardinale Maßnahmen, die ihre Sportstätten einfach wieder in einen Normalzustand versetzen würden. Macht die Stadt dort in absehbarer Zeit Nägel mit Köpfen, ändert sich damit zwar nichts an der bescheidenen Quantität des Bestandes. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es aber unbedingt.
Das BSW wird die weitere Entwicklung bei den beiden Vereinen und ihren Sportstätten aufmerksam verfolgen.